Zerstrittene Wehrleitung

Wenn die Wehrleitung nicht funktioniert, muss das nicht heißen, dass sich das auf die Einsätze auswirkt. Aber mit der Zeit steigt die Unzufriedenheit, manche Kameraden kommen vielleicht nicht mehr. Irgendwann hat es dann eben doch Auswirkungen. Erfahren Sie in diesem Video, was Sie tun können, um ihre Wehrleitung wieder zusammenzubringen, und lesen Sie im unten stehenden Text, mit welchen Schritten ein externer Konfliktmoderator oder Coach einer zerstrittenen Wehrleitung helfen kann.

Dieser Text schildert die Schritte, mit denen wir in der letzten Zeit mehrfach erfolgreich den Streit in Wehrleitungen schlichten konnten. Der Erfolg hängt von drei Faktoren ab: (a) von einer möglichst neutralen oder allparteilichen Haltung der moderierenden Personen, (b) von der richtigen Schrittfolge und (c) — und das ist mit Abstand der bedeutsamste Faktor — von der Bereitschaft der Beteiligten, nicht nur auf andere zu zeigen, sondern auch den eigenen Anteil am Geschehen zu suchen und sich ggf. für die eine oder andere Sache zu entschuldigen. Den Erfolg erzeugen letztlich die handelnden Personen immer selbst.

Erstes Treffen: Klärung

Erste Frage: Was halten die Beteiligten vom Ansinnen des Termins? Es ist entscheidend zu wissen, was alle von dem Treffen halten. Manche könnten skeptisch sein, abhängig davon, wer die Intervention angefordert hat. Wenn es Skepsis oder „Widerstand“ gibt (wobei Widerstand eine völlig legitime Reaktion ist), muss das zuerst bearbeitet werden — dem Grundsatz entsprechend: Bedenken/Skepsis/Widerstände haben Vorrang. In der ersten Stufe geht es darum, auf die Skepsis einzugehen und nachzufragen. In der zweiten Stufe geht es darum, sich ggf. mit dem Widerstand zu verbünden.

Zweite Frage: Was wird erwartet? Zunächst sollten alle Erwartungen und Ziele geklärt werden („Auftragsklärung“).

Dritte Frage: Wie war es, in den vergangenen Wochen hier zu arbeiten? Wie läuft die Arbeit momentan? (oder: Wie geht es Ihnen momentan?) Was wünschen Sie sich? Hier kommen die eigentlichen Themen zutage.

Konflikte identifizieren: In Konfliktfällen zeigt sich hier in der Regel das eine Thema, an dem sich die Situation festgefahren hat. Manchmal ist der Konflikt offensichtlich, manchmal hat er sich über Jahre aufgebaut und wurde „beschwiegen“. Es ist wichtig, das Problem beim Namen zu nennen und die zugrunde liegende Geschichte zu verstehen. Ggf. wird deutlich, wer welche Anteile an der Konfliktdynamik hatte. Das kann man, wenn man so weit kommt, auch schon erfragen/reflektieren. Oft ergibt sich am Ende des ersten Termins bereits eine zusammenfassende „Konflikterzählung“, die, wenn man sie tatsächlich neutral-zusammenfassend schildert, auch zustimmungsfähig ist.

Zweites Treffen: Aussprache

Erste Frage/Aufgabe: Wer hat sich durch welche Handlungen verletzt gefühlt? Es geht darum, die Gefühle zu schildern und „nebeneinander zu stellen“. Es geht nicht darum, irgendetwas auszudiskutieren. Es geht darum, die jeweils anderen und sich selbst zu verstehen. Etwas auszudiskutieren würde nur zu Dynamiken aus Kritik und Rechtfertigung führen („Das hast Du falsch verstanden. Das musst Du so sehen.“ oder: „Das war überhaupt nicht so gemeint.“). In erster Linie ist Zuhören wichtig. Ggf. kann man hier eine Seite wiederholen lassen, was sie von der anderen Seite verstanden hat, ohne selbst darauf zu reagieren (und umgekehrt, versteht sich).

Zweite Aufgabe: Sich zum eigenen Anteil bekennen. Es ist wichtig, zu erkennen und zu beschreiben, was man selbst zum Konflikt beigetragen hat.

Dritte Aufgabe: Möglichkeit zur Entschuldigung. Die Frage ist simpel: Gibt es Dinge, für die sich jemand entschuldigen möchte? Wenn ja, welche? Wenn es gelingt, mit der hier beschriebenen zweiten oder dritten Aufgabe den sprichwörtlichen „Schritt aufeinander zu“ zu machen, kommt es tatsächlich zu einem Ausgleich. Man verzeiht sich gegenseitig die Dinge, die man gesagt oder getan hat. Wichtig ist, dass dies nicht nur „als Spruch“, sondern tatsächlich passiert, denn mit dem Verzeihen muss auch das Vergessen einhergehen, sonst gelingt es nicht.

Drittes Treffen: Zukunft

Rückblick auf das zweite Treffen: Wie haben sich die Dinge seitdem entwickelt? Gibt es Fortschritte?

Planung: Wie kann man in Zukunft besser zusammenarbeiten? Welche Themen und Ziele sollen gemeinsam verfolgt werden? Welche Regeln und Abmachungen sind notwendig? Wie oft sollte man sich treffen? Die Besprechungsfrequenz kann ein wichtiges Thema sein, damit man sich oft genug sieht, um dass bspw. Informationen zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle gelangen usw.

Es ist wichtig zu verstehen, dass es nur sehr selten eine perfekte „WIN-WIN-Lösung“ gibt. Es ist besser, anstelle von „Konfliktlösung“ besser von „Konfliktbearbeitung“ oder „Konfliktveränderung“ zu sprechen — was nach unserer Erfahrung die deutlich angemesseneren Begriffe sind. Es geht darum, den Konflikt so zu verändern, dass die Beteiligten damit leben können. Es geht darum, die Perspektive anderer zu verstehen und die eigenen Handlungen zu reflektieren. Eine erfolgreiche Intervention kann den Weg für eine bessere Zusammenarbeit und Kommunikation ebnen. Es ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und den Willen zur Veränderung erfordert — die eigentliche „Lösung“ entsteht, wenn überhaupt, oft erst viel später. Wir haben schon viel erreicht, wenn die Beteiligten im Interesse des Zweckes ihrer Feuerwehr (retten, löschen, bergen, schützen) wieder zusammen arbeiten können. Es geht nicht darum, alles zu „lösen“ oder gar Menschen zu verändern (Persönlichkeiten ändern sich in der Regel nicht), sondern es geht darum, (wieder) willens und in der Lage zu sein, zusammen zu arbeiten.

Brand in einen Wohnhaus Goetzenreuth / Götzenreuth bei Roth Lindenstrasse 21 13.01.2011 nbg Foto: News5 / Grundmann +++ Nutzungs-Hinweis +++ Foto ist honorarpflichtig zzgl. gesetzl. MwSt. 7% . Belegexemplar erbeten. Adresse: Medienhaus Nuernberg - News 5 - Welserstrasse 88, 90489 Nuernberg, Tel.0911/242544-0, HRB 25611 Amtsgericht Nuernberg - Geschaeftsfuehrer Benjamin Fuchs, Bankverbindung: Sparkasse Nuernberg, Konto Nr.10392512 / BLZ 76050101 . Veroeffentlichung gem. AGB unter www.news5.de . Fotos sind ausschliesslich fuer redaktionelle Zwecke zu verwenden.

Grüppchenbildung

Wie kann man als Wehrleitung ganz praktisch mit Grüppchenbildung umgehen? Wie stellen wir den Zusammenhalt wieder her? Antworten auf diese Fragen finden Sie in diesem Video und in dem darunter stehenden ausführlichen Text.

Dieser Text setzt sich mit der Frage auseinander, was eine Wehrleitung tun kann, wenn es zur Bildung von Grüppchen in einer Feuerwehr kommt, und die Grüppchenbildung so stark wird, dass der Zusammenhalt verloren zu gehen droht. Die vorgeschlagenen Handlungsmöglichkeiten reichen von „weich“ bis „etwas fester“ und entsprechen einer authentischen, den Kameradinnen und Kameraden zugewandten Führungshaltung. Es gibt auch Situationen, in denen die Klärung von Konflikten mit den Mitteln der Gesprächsführung und der Moderation nicht mehr möglich ist. In solchen Fällen sind formalere und eher „strategische“ Vorgehensweisen zu wählen. Diese Mittel werden hier nicht thematisiert.

Wenn es in einem Team zu Konflikten kommt, beginnen diese in der Regel zwischen einzelnen Personen. Dauert der Konflikt an, werden die Beteiligten versuchen, andere Teammitglieder auf ihre Seite zu ziehen. Es kommt zur Bildung von „Fraktionen“. Grundsätzlich gilt: Je eher man versucht, den Konflikt zu bearbeiten, desto einfacher ist es, stärkere Eskalationen zu verhindern. Bei zunehmender Verhärtung wird das schwieriger.

Hier erfahren Sie, wie Sie einschätzen können, ob es sich lohnt, in einem Konflikt zu intervenieren, oder ob es notwendig sein könnte, konsequentere und gleichsam „strategischere“ Vorgehensweisen zu wählen.

Einer Grüppchenbildung muss nicht unbedingt ein Konflikt vorausgehen. Oft reicht es schon aus, wenn sich bestimmte Angehörige der Mannschaft aus rein organisatorischen Gründen öfter sehen und mehr miteinander arbeiten als mit anderen Teilen der Mannschaft. Wer viel Zeit miteinander verbringt, spricht viel miteinander – und wird mit der Zeit ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. Mit der Intensität des Zusammenhalts mit den einen, mit denen man mehr zu tun hat, wächst auch die Distanz zu denjenigen, mit denen man weniger zu tun hat. Mit der Zeit entsteht ein „wir“ und ein „die“. Wichtig ist, dass es sich dabei am Anfang oft um eine völlig absichtsfreie, ja fast beliebige Entwicklung handelt. Das so genannte „Minimalgruppenparadigma“ besagt, dass allein das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe ausreicht, um Distanz zu anderen Gruppen und damit in der Folge auch Konflikte zu erzeugen. Wer zusammen arbeitet, sieht sich oft, redet viel, entwickelt Vertrauen. Sichtweisen werden mit der Zeit ähnlicher, man unterstützt sich, entwickelt ein Zusammenhaltsgefühl und zieht die „eigenen“ Leute den anderen vor. Das ist etwas ganz Normales. Konflikte können sich also auch aus zunächst absichtsfreien Entwicklungen der Grüppchenbildung ergeben. Als Leitung hat man immer einzuschätzen, ob das Level an Grüppchenbildung in der eigenen Mannschaft noch „normal“ oder schon „problematisch“ ist. Gradmesser für diese Einschätzung kann am Ehesten die Frage sein, ob der Zweck der Mannschaft erfüllt wird, also die Leistung im gewünschten Ausmaß erbracht werden kann, oder ob die sich aus der Grüppchenbildung ergebenden Dynamiken dazu führen, dass die Belange der Grüppchen für die Mitglieder bedeutsamer werden als die Erfüllung der Aufgabe.

Menschen richten ihre Handlungen in Organisationen mehr nach den Belangen der informellen Organisationsstruktur aus als an den Maßgaben der formalen Vorgaben. Das erscheint plausibel, weil die Beziehungen zu den Kolleginnen und Kollegen „menschlich näher“ liegen als die „irgendwie sachlicheren“ Vorgaben der Organisation. Führung ist also immer auch Beziehungsmanagement, und die „menschliche Dimension des Geschehens“ spielt eine maßgebliche Rolle. Nicht zuletzt deshalb bleibt die Mannschaftsleistung in vielen Fällen kurz unter den Leistungserwartungen der Leitung. Durch ein kluges Beziehungsmanagement – und nicht zuletzt durch ein möglichst frühzeitiges Bearbeiten von Konflikten – gelingt es Vorgesetzten, mit diesem (unvermeidlichen) Problem umzugehen.

Wir haben bereits von der Wirkmächtigkeit informeller Gruppenstrukturen gesprochen. Will man Grüppchenbildung bearbeiten, gilt es, auf diese informellen Zusammenhänge zu achten. Man beobachtet die Kommunikation im Team und identifiziert diejenigen Personen mit einer gewissen „Wort- oder Meinungsführerschaft“. Das müssen nicht diejenigen sein, die am meisten reden; das sind oft Personen, die sich nicht zu oft, aber dafür sehr kompetent oder machtvoll äußern. Wenn die Mannschaft noch jung ist, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Meinungsführerschaft und Wortmeldehäufigkeit zusammenhängen, bei länger bestehenden Mannschaften haben sich da in der Regel andere Mechanismen herausgebildet (Kompetenz, Macht usw.).

Kommt man zu dem Schluss, dass die Grüppchenbildung zu Dynamiken führt, die die Leistung gefährdet, kann man auf einer ersten Stufe zunächst Einzelgespräche mit den „Meinungsmächtigen“ aus den Grüppchen führen.

Erste Stufe

Man führt ein Gespräch unter vier Augen und beginnt dies mit „fragendem Interesse“. Man konfrontiert nicht mit den eigenen Sichtweisen, sondern stellt Fragen. Man beendet das Gespräch mit einer Bitte.

Fragetechniken für die erste Stufe: Interessensfragen

Man signalisiert auf der ersten Stufe vor allem Interesse an den Sichtweisen des Gegenübers. Zum einen dient das einem tieferen Verständnis, zum anderen auch der Entwicklung von Vertrauen. Interesse bewirkt im Gelingensfall eine Öffnung des Gegenübers und die Bereitschaft, eigene Sichtweisen oder Positionen infrage zu stellen. Hilfreiche Fragen lauten: „Wie war es in der letzten Zeit für Dich, in diesem Team zu arbeiten?“ oder: „Was hat gut funktioniert, was weniger?“ In Bezug auf Konfliktdynamiken: „Wie war der Hergang?“ oder: „Darf ich fragen, wie Du Dir die Zuspitzung erklärst, von der Du gesprochen hast?“ oder: „Was wünscht Du Dir?“

Fragetechniken für die erste Stufe: Fragen, die eine Perspektivübernahme bewirken können

Hier geht man weg von den ganz offenen Interessensfragen hin zu solchen Fragen, die auch die Belange anderer und das Zusammenwirken der ganzen Mannschaft betreffen. Ziel ist, mit diesen Fragen ein Nachdenken über den eigentlichen Zweck der Zusammenarbeit zu bewirken. Hilfreiche Fragen können sein: „Was möchtest Du in der Mannschaft bewirken?“ oder: „Was willst Du eigentlich?“ oder: „Was, glaubst Du, wird passieren, wenn es so weitergeht, wie es jetzt läuft?“ oder: „Gibt es etwas, das aus Deiner Sicht anders laufen soll? Und wenn ja: was?“ und später: „Gibt es etwas, das Du selbst dafür tun kannst? Und falls ja: was wäre das zum Beispiel?“ oder: „Wie, glaubst Du, sollte ich als Teil der Wehrleitung mit den Themen umgehen, über die wir gerade sprechen?“ und schlussendlich: „Was will eigentlich die andere Seite aus Deiner Sicht?“ Manche Fragen kann man im Gespräch auch mehrfach stellen.

Haltung für die erste Stufe: Keine Konfrontation

Man verzichtet auf der ersten Stufe weitgehend oder ganz auf Konfrontationen. Konfrontationen sind im Prinzip Äußerungen eigener Vermutungen. Wenn man etwa fragt: „Glaubst Du, dass Du auch einen eigenen Anteil an dem Konflikt hast?“, konfrontiert man das Gegenüber mit der Vermutung, dass es eine gewisse „Mitschuld“ an der gegenwärtigen Situation trägt. Im Prinzip ist da in der Regel etwas dran, aber wenn man solche Fragen zu früh stellt, kann das zum Rückzug bzw. zur Auslösung des Selbstschutzes beim Gegenüber führen. Wenn das Vertrauen stimmt, kann man durchaus konfrontieren, aber auf der ersten Stufe ist das mitunter nicht sinnvoll. Auf der ersten Stufe versucht man eher, beim Gegenüber eine Einsicht zu bewirken. Der direkte Verweis auf den eigenen Anteil kann eher auf der zweiten Stufe platziert werden.

Abschluss der ersten Stufe: eine Bitte formulieren

Man beendet das Gespräch mit einer freundlich formulierten Bitte. Man stellt die Sichtweisen des Gegenübers nicht infrage, sondern bittet das Gegenüber, seinen oder ihren Teil für eine gute Zusammenarbeit zu tun und die Konsequenzen bzw. Wirkungen der eigenen Handlungen auf die Feuerwehr und die Kommunikation in der Wehr zu bedenken.

Zweite Stufe

Man führt wiederum ein Einzelgespräch und beginnt auch dies mit Interessensfragen, kommt aber schneller zu den Fragen, die eine Perspektiverweiterung oder eine Veränderung der Sichtweise bewirken sollen. Anschließend fragt man, ob man einmal die eigenen Beobachtungen schildern dürfe. Dann schildert man zunächst Beobachtungen und stellt noch einmal Fragen wie: „Was passiert, wenn das so weitergeht?“ oder: „Was sollte ich als Wehrleitung aus Deiner Sicht hier tun? Was sind Deine Erwartungen an mich?“ Man beendet das Gespräch nicht mit einer Bitte, sondern mit einer klaren Erwartung bzw. Handlungsaufforderung: „Ich erwarte von Dir, dass Du Deinen Anteil an der Konfliktdynamik reflektierst und überlegst, was Du zu einer Deeskalation beitragen kannst. Das betrifft zum Einen die Sprüche, die Du manchmal formulierst, da bitte ich Dich zu überlegen, wie sich Deine Worte auf die Mannschaft auswirken. Zum anderen betrifft das Deine Handlungen. Ich erwarte von Dir, dass Du auf die anderen zugehst und Dinge unternimmst, die den Zusammenhalt wieder stärken. Du bist mir als Mitglied sehr wichtig, und Du spielst eine tragende Rolle in der Wehr. Ich möchte, dass Du diese Rolle im Sinne der Mannschaft nutzt. Unsere Wehr hat einen Zweck, unsere Arbeit ist für die Gemeinde bedeutsam, und als Leiter achte ich darauf, dass unsere Leistung stimmt. Du bist ein kompetenter und leistungsstarker Kamerad. Tue bitte Deinen Teil dafür, dass die Mannschaftsleistung stimmt.“ Man argumentiert quasi nicht als Person, sondern als Führungskraft. Der Unterschied liegt in der Betonung des Zwecks der Feuerwehr. Man bittet nicht als „Kumpel“, man betont auch nicht seine ggf. vorhandene Macht („Ich bin der Leiter, und als Leiter sage ich Dir…“). Man droht auch nicht. Sondern man argumentiert mit dem Zweck der Feuerwehr und mit den Anforderungen an die Rolle des Gegenübers als Mitglied der Mannschaft. Keinem Mitglied ist es erlaubt, die eigenen Belange über die der Feuerwehr zu stellen (es sei denn, es ginge etwa um Selbstschutz bei Mobbing oder die Leitung würde etwas Ungesetzliches verlangen). Insofern erinnert man sein Gegenüber an die Pflicht als Kamerad oder Kameradin, an die Pflicht zur Zusammenwirkung im Sinne der Mannschaftsleistung.

Dritte Stufe: Aussprache

Wenn die Einzelgespräche nichts oder zu wenig bewirkt haben, kann man die Mitglieder zu einer Aussprache einladen oder einen Dienst so umfunktionieren, dass die aktuellen Belange der Mannschaft zur Sprache kommen. Die Aussprache beginnt mit einer Ansprache der Wehrleitung:

„Ich freue mich, dass Ihr da seid. Es geht heute um ein Thema, das wir sonst noch nicht oft besprochen haben. Es geht um uns als Mannschaft. Ich glaube, dass wir in letzter Zeit viel übereinander und wenig miteinander gesprochen haben. Es waren auch viele bei mir und haben mir erzählt, was alles momentan nicht gut läuft. Ich werde hier niemanden in die Pfanne hauen und erzählen, die oder der hat das und das gesagt. Darum geht es nicht. Es geht auch nicht darum, wer welche Schuld trägt oder wer vergessen hat, wem Guten Tag zu sagen. Es geht um unser Miteinander und wie wir in Zukunft zusammenarbeiten wollen. Niemand MUSS sprechen, ich werde niemanden unter Druck setzen. Aber wenn Ihr sprecht, seid bitte ehrlich. Ich werde Euch drei Fragen stellen: Wie ist es in letzter Zeit gelaufen? Wie gern kommt Ihr momentan zum Dienst oder zum Einsatz? Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft? Es ist Zeit, dass wir Dinge offen besprechen. Ich möchte, dass wir uns gegenseitig die Meinung sagen können. Wenn ich Teil des Problems bin oder ich in der letzten Zeit Fehler gemacht habe, sagt mir das bitte. Es geht darum, dass wir unsere Aufgaben gut erfüllen und dass Ihr gern hierher kommt. Also los.“

Danach kann man sich nach den Meinungen zu dem Ansinnen erkundigen, das Miteinander zu thematisieren. Wird hier Skepsis geäußert, sollte man keine Überredungsversuche starten, sondern sich mit dem „Widerstand“ verbünden. Wie das funktioniert, können Sie hier nachlesen. Dann stellt man die besagten drei Fragen. Es geht nicht darum, dass alle Anwesenden alle Fragen beantworten. Die Fragen sollen nur dazu dienen, ins Gespräch zu kommen. Irgendwann kommen dann die ersten Dinge auf den Tisch. In der Regel haben solche Gespräche folgenden Verlauf: Es beginnt etwas zögerlich, manche äußern sich wohlmeinend-allgemein, betonen den Zusammenhalt. Irgendwann spricht dann aber jemand etwas an. Das kann zu einer „Meckerrunde“ führen oder wiederum zu Gegenreaktionen, dass doch alles gut sei. Es geht noch nicht um das Durcharbeiten der einzelnen angesprochenen Dinge, eher erst einmal um das Aussprechen. Wichtig ist, dass man Schulddiskussionen ebenso vermeidet wie Harmonie-Appelle, dass doch alles gut sei. Es geht eben darum, dass die Beteiligten lernen, Konflikte offen anzusprechen und unbequeme Meinungen zu äußern. Es geht auch nicht darum, wer Recht hat und wer nicht. Selbst wenn es zu einer „Mecker-Eskalation“ kommt und es tief hinab geht, was die Stimmung betrifft: Niemand meckert für immer. Irgendwann melden sich die ersten Stimmen, die sagen: Ja, das kann ja alles sein. Aber ich würde wieder gern hierher kommen und ehrlich gesagt bringt mir diese Diskussion jetzt nichts. Lasst uns nicht überlegen, wer Schuld ist, sondern was wir machen müssen, damit die Wehr wieder gut funktioniert. Die Leitung kann diese „Wendung“ der Stimmung auch befördern, indem sie immer wieder konkretisierend nachfragt: „Was heißt das genau, was Du sagst?“ oder: „Was möchtest Du genau?“ oder: „Wie sollen wir damit konkret umgehen?“ oder: „Was können wir tun, damit unser Zusammenhalt besser funktioniert?“ Manchmal muss man sicher auch solche Dinge sagen: „Sagt mal, so wie wir jetzt diskutieren: Wie hilfreich ist das? Ich würde gern mehr über die Zukunft reden. Wir haben verschiedene Meinungen, klar. Es geht um die Frage, wie wir gut zusammenarbeiten. Dazu würde ich gern was hören.“

Wenn Sie mehr über Moderationstechniken für solche Aussprachen wissen möchten, werden Sie hier fündig. Wenn Sie mehr über den Umgang mit dem Wechselspiel aus defensiven Rückzugsgefechten und konstruktiven Diskussionen in solchen Teamterminen wissen möchten, lesen Sie bitte diesen Text.

Fakt ist, dass solche Runden langsam losgehen, dann an Fahrt aufnehmen, ein „Tal der Tränen“ durchschreiten und irgendwann eine konstruktive Wendung nehmen. Wenn man es schafft, immer weiter Fragen zu stellen und sich dabei auf keine Seite zu stellen sowie beim Fragen nicht die Zukunft aus dem Blick verliert, gelingt es, auch schwierige Gesprächsphasen zu überstehen. Es gibt hier kein Richtig und Falsch, es geht eben darum, dass die Mannschaft lernt, genau solche Diskussionen zu führen. Und das lernt eine Mannschaft nur, indem sie genau das tut. Der Trick ist, durch sachliche und konkretisierende Nachfragen immer wieder auf den konstruktiven Weg zurückzukommen. Natürlich braucht man hier das ganze Repertoire der Gesprächsführung – vom rückformulierenden Zusammenfassen über Fragen bis hin zur Metakommunikation. Wer nach einer hilfreichen Übersicht zum Thema Fragetechniken sucht, wird bei Edgar Scheins Buch „Humble Inquiry“ fündig. Siehe dazu auch den Artikel „So öffnen sich Menschen“ von Martin Pichler in der Zeitschrift wirtschaft + weiterbildung, Nr. 10/2013, im verlinkten PDF-Dokument ab S. 18, der Scheins Buch übersichtlich zusammenfasst.

Vierte Stufe: Aussprache mit externer Moderation

Wie die zweite Stufe am Ende eine etwas „festere“ Wiederholung der ersten Stufe darstellt, bildet auch die vierte Stufe eine „festere“ Variante der dritten Stufe, nur mit dem Unterschied einer externen Moderation bzw. der Durchführung der Aussprache durch eine externe, speziell qualifizierte Person. Solche Personen finden Sie in Sachsen beim Landesfeuerwehrverband im Projekt „Aspekt 112“, oder Sie wenden sich an Jörg Heidig von feuerwehrcoach.org.

Was kann man machen, wenn sich die Bedarfsplanung festgefahren hat?

Ein nicht ganz seltener Fall in der Feuerwehrwelt: Man hat eine Reihe von Ortswehren vor langer Zeit zu einer Gemeindewehr fusioniert. Man kennt sich, hilft sich gegenseitig. Man könnte sagen: Es läuft. Bis die neue Bedarfsplanung ansteht. Einerseits, könnte man denken, sind es gute Nachrichten — die Mittel für neue Gebäude und die Erneuerung eines Teils der Fahrzeuge stehen bereit. Andererseits reichen die Mittel natürlich nicht für alle Wünsche. Die demographische Entwicklung hat zugeschlagen — ein Teil der Orte ist kleiner geworden. Zudem sind die Fahrzeuge heute größer als früher — Neuanschaffungen würden gar nicht mehr in jedes der älteren Gebäude passen. Und wenn man genau hinsieht, wird es auch Zeit, neu zu bauen. Aber wie? Vier Ortswehren, aber in Zukunft nur noch zwei Gebäude. Warum eigentlich nur zwei Gebäude? Die Gemeindewehrleitung hat dem Gemeinderat einen Vorschlag unterbreitet. Ein Teil der Ortswehrleiter, so geht das Gerücht, habe Bescheid gewusst, mindestens eine Wehrleitung fühlt sich außen vor. Jemand aus dem Gemeinderat ist nicht einverstanden und verbündet sich mit der Ortswehr, die sich außen vor fühlt. Man geht zur Lokalredaktion, die sich über eine Story freut. Der Rest der Eskalation findet auf Whatsapp und Facebook statt. Ein Teil der Angehörigen von zwei Wehren erklärt später, austreten zu wollen, falls die Bedarfsplanung so umgesetzt werden sollte. Ein Teil des Gemeinderates solidarisiert sich mit den Gegnern der Bedarfsplanung. Ein Lokaljournalist schreibt gern alles auf, was man ihm sagt — oft ohne weitere Stimmen zu der Sache zu hören.

Bei dieser Schilderung handelt es sich um ein fiktives Beispiel. Aber es ähnelt im Grundmuster einer Reihe von Fällen, an deren Bearbeitung und Lösung ich beteiligt war. Auch wenn sicher jede Lage spezifisch ist — es gibt eine Reihe von Gemeinsamkeiten bei der Eskalation der Lage:

  1. Zuerst gab es in der Regel gute Absichten.
  2. Natürlich können nicht alle alles haben, so ist das nun mal. Aber wenn man das nur denkt und die Betroffenen nicht zeitig genug beteiligt, entsteht ein Gewirr aus strategischer (verdeckter) Kommunikation — die Beteiligten versuchen, jeweils die beste Lösung zu erreichen, klären die Sache aber eben nicht gemeinsam.
  3. Natürlich haben die Bedarfsplaner ihre Grundlagen. Aber wenn die Verantwortlichen vor Ort nicht zeitig genug in geeigneter Weise kommunizieren, nutzt die beste Bedarfsplanung nichts — irgendwann „knallt“ es.
  4. Erst polarisiert sich die Lage. Verschiedene Meinungen stabilisieren und verschärfen sich. Man diskutiert ggf. noch.
  5. Irgendwann hört man auf, miteinander zu reden, spätestens dann bilden sich Fronten und man redet nur noch übereinander.
  6. Oft friert die Lage dann ein, und es passiert sehr lange gefühlt wenig oder gar nichts. Appelle oder Machtworte bleiben wirkungslos, einseitige Kommunikationsversuche lassen die jeweils anderen „abblitzen“. Man kommt nicht weiter, oft weiß keine der beteiligten Seiten mehr so recht, was sie machen soll.

Kennen Sie Beispiele, die irgendwie diesem Muster entsprechen? In der Regel findet man aus so einer Lage ohne ein „auslösendes Ereignis“ (bspw. eine Veränderung der Beteiligtenkonstellation durch Wahl, Wegzug, Austritt o.ä.) oder externe Begleitung nicht mehr heraus.

Folgende Optionen hat man direkt vor Ort:

Option 1: Man erinnert die Beteiligten an den Zweck der Organisation und versucht, die ausgebliebene/versäumte/schief gegangene Kommunikation „nachzuholen“, indem man die Beteiligten offen fragt, wie die Wehr in Zukunft organisiert sein soll. Voraussetzung wäre, dass gewisse Änderungen an der Bedarfsplanung noch möglich sind.

Option 2: Man erinnert die Beteiligten an den Zweck der Organisation und versucht, einen gewissen „Ausgleich“ zu erreichen. Man führt eine Aussprache durch, ändert aber die Bedarfsplanung nicht mehr. Man respektiert den Frust darüber, wie es gelaufen ist, und lässt die Verantwortlichen zugeben, dass da nicht alles richtig gelaufen ist. Man bittet die Beteiligten, sich mit der Situation abzufinden und der Wehr treu zu bleiben.

Hilfreich wäre, eine in der jeweiligen Gemeinde allgemein anerkannte und respektierte Persönlichkeit zu bitten, die Aussprache zu moderieren. Solche Persönlichkeiten können sein: Pfarrer, Bürgermeister, pensionierte Schulleiter oder Ärzte, (ehemalige) Geschäftsführer regional ansässiger Unternehmen… Natürlich ist nicht jede Pfarrerin oder jeder Bürgermeister oder jede pensionierte Ärztin dafür geeignet und/oder dazu bereit. Mit diesen Beispielen soll auf ein Wirkprinzip hingewiesen werden, das man sich zunutze machen kann — eine allgemein respektierte Persönlichkeit kann (kurzfristig) eine ähnliche Wirkung haben wie eine externe neutrale/allparteiliche Begleitung. Wenn ein oder zwei Termine genügen, um die Lage wieder in Bewegung zu bringen, reicht diese Option aus. Eine längerfristige/aufwendigere Bearbeitung der Lage ist mit dieser Option nicht möglich bzw. zielführend, weil die Beteiligten irgendwann überfordert sind. Man tut es ja aus gutem Willen und hilft gern, aber man ist ja selbst Teil der Gemeinde, und wenn sich Blockaden nicht lösen lassen, ärgern sich die Betreffenden irgendwann darüber, dass sie so „dumm“ waren, überhaupt versucht zu haben, hilfreich zu sein.

Manchmal ist es besser, Option 3 in Erwägung zu ziehen. Hier wird auf eine neutrale/allparteiliche externe Begleitung gesetzt. Folgende Vorgehensweise hat sich als hilfreich erwiesen:

Sondierung der Lage/Auftragsklärung: Besprechung zwischen den Verantwortlichen und dem Feuerwehrcoach

Interviews mit den Verantwortlichen (hauptamtliche Gemeindevertreter, Gemeindewehrleitung, Ortswehrleitungen, Ausschussmitglieder, Jugendwarte, Gemeinderatsmitglieder, ggf. relevante/besonders engagierte Wehrmitglieder, ggf. besonders relevante „Ehemalige“ usw.) durch den Feuerwehrcoach

Analyse der Interviews — ggf. einschl. der Entwicklung von Handlungsoptionen

Rückmeldung zur Lage an die Verantwortlichen und die Gesprächspartner (getrennt voneinander) durch den Feuerwehrcoach — nun kann die Entwicklung von Handlungsoptionen auf Basis der Erkenntnisse aus der Analyse entweder gemeinsam erfolgen (Diskussion, Workshop zur Entwicklung von Ideen und Maßnahmen, ggf. weitere Termine zur Priorisierung der Ideen, zur Entscheidung und zur Umsetzungsplanung) oder durch den Feuerwehrcoach vorgeschlagen werden.

Schließlich treffen die Verantwortlichen eine Entscheidung, wie es weitergeht.

Was hier „kurz und knapp“ dargestellt wird, erfordert viel Erfahrung. Die Interviews sichern die „Vollständigkeit der Perspektiven“. Wenn man in einer Organisation mit 150 Mitgliedern 15-20 Gespräche mit gut ausgewählten, für ihren jeweiligen Bereich kompetenten Personen geführt hat, kann man — einen gewissen, speziell für den Hintergrund „ehrenamtliche Organisationen“ bzw. „freiwillige Feuerwehren“ Wissens- und Erfahrungsbestand vorausgesetzt — ein vollständiges Bild der Lage erfassen. Voraussetzung ist, dass die Auswahl keiner „interessensgeleiteten Verzerrung“ unterliegt, sondern man wirklich das gesamte Binnenspektrum der Organisation abbildet (Mitglieder der Leitung — einfache Mitglieder; dienstältere Funktionsträger — neue Funktionsträger; Loyale — Skeptiker; Gemeindewehrleiter — Ortswehrleiter; Jugendwarte, Ausschussmitglieder, Amtsleitung, Bürgermeister).

Wenn man nun diese Gespräche gut analysiert, erhält man ein umfassendes Bild der Lage — und einen Überblick über die Ursachen und die (noch) möglichen Optionen. Mit diesen Ergebnissen — Beschreibung der Lage, Verständnis für die Ursachen und Bild von den realistischen Optionen — konfrontiert man die Verantwortlichen und später die Gesprächspartner.

Nun kann man sich entscheiden — entwickelt man die Maßnahmen gemeinsam oder schlägt man bereits Maßnahmen vor? Das kommt auf den Auftrag, also die Erwartungen der Auftraggeberseite an. Fakt ist, dass eine gewisse Analyse der Lage von außen, verbunden mit einem „festen Vortrag“ der Analyse der Lage durch einen externen Berater nicht ohne Wirkung bleiben. Man versteht die eigene Situation besser, wenn jemand von außen die Situation beschreibt — und man ist eher willens, daran etwas zu ändern, wenn der Änderungsbedarf extern festgestellt wird — und vielleicht sogar Entwicklungsrichtungen aufgezeigt werden, die man dann gemeinsam mit der Wehrleitung und den Kameradinnen und Kameraden konkretisieren kann.

Die externe Perspektive dient nicht nur der Befragung und der Analyse, sondern auch der Begleitung. Wenn die Lage festgefahren ist, entfaltet die Kombination aus (a) Befragung (Wir sind gefragt worden!), (b) Präsentation der Analyse (Spiegelung der Lage und vor allem der Folgen der Lage) und (c) Entwicklung von Maßnahmen (Was müssen wir denn machen, damit wir als Wehr wieder mehr und gemeinsam auf den Zweck der Wehr einzahlen?) durch eine externe Begleitung ihre Wirkung. Natürlich muss die externe Begleitung auch moderieren können, denn (a), (b) und (c) stellen im gelingenden Fall ja nur den Anfang eines Entwicklungs- oder Veränderungsprozesses dar — und darum geht es ja im Falle einer „festgefahrenen“ Bedarfsplanung: die Lage wieder in Bewegung zu bringen.